Wie haben unsere Weisen die Halacha, das jüdische Recht, von der Tora abgeleitet? Welche Auslegungshilfen haben sie verwendet und wie haben sie funktioniert? Wie haben unsere Weisen ein Gleichgewicht zwischen überlieferter Tradition und halachischer Innovation gefunden?
Kurzfassung
Anmerkung des Redaktion: In der Reihe „Halacha: Ein Handbuch” nehmen wir Abstand vom Thema Frauen und Mitzwot, um eine verständliche Einführung in einige der wichtigsten Bausteine der Halacha zu geben. In diesem Beitrag wird eine von vielen möglichen Erklärungen vorgestellt.
Wie haben unsere Weisen die Bedeutung der Toragesetze interpretiert?
Rabbiner Mosche di Trani (Mabit) listet neun Methoden der rabbinischen Auslegung auf. Diese sind: 1) sorgfältiges Lesen, 2) weniger offensichtliche Implikationen auf Basis von Textdetails, 3) das Interpretieren von Textüberflüssigkeiten, 4) logische Schlussfolgerungen aus der bekannten Halacha, 5) Textvergleiche, 6) die “Dreizehn Prinzipien der Auslegung”, 7) Diwrei Kabbala (Verse in den Propheten, die Toragesetze verdeutlichen), 8) Halacha Le-Mosche Mi-Sinai (allein durch mündliche Überlieferung weitergegebene Regeln und Traditionen), sowie 9) mündliche Überlieferungen, die nachträglich mit dem Text in Verbindung gebracht werden können.
Kann die Begründung eines biblischen Gesetzes seine Anwendung beeinflussen?
Ja, Gründe für ein biblisches Gesetzt können die Anwendung dieses Gesetzes beeinflussen. Das ist aber nur der Fall, wenn die Begründung für eine bestimmte Mitzwa klar in der Tora erwähnt oder angedeutet wird.
Was sind die “Dreizehn Prinzipien” (die Jud-Gimmel/13 Middot)?
Die “Dreizehn Prinzipien” sind eine weit zurückreichende Gruppe von Regeln, die von den Weisen zur Interpretation des Bibeltextes angewandt wurden. Dazu gehören:
- Kal We-Chomer: Rückschlüsse von einem milderen auf einen strengeren Fall ziehen.
- Gesera Shawa: Ableitung eines Gesetzes aus einem Vers und dessen Anwendung auf einen anderen Vers, wenn in beiden Versen ähnliche Worte oder der gleiche Wortstamm vorkommen.
- Binjan Aw: Ableitung globaler Prinzipien aus einem Vers oder aus zwei Versen, die etwas gemeinsam haben.
- Kelal u-frat u-chlal: Wenn ein Vers ein allgemeines Gesetz nennt, dann spezifische Beispiele für dieses Gesetz folgen und anschließend das Gesetz in allgemeiner Weise wiederholt wird, so wird das Gesetz nur in Fällen angewendet, die den genannten Beispielen ähnlich sind.
- Davar Ha-lamed me-injano: Etwas, das basierend auf seinem Kontext gelernt wurde.
Gibt es Grenzen für die Anwendung dieser Grundsätze?
Nach Ansicht von Raschi können die meisten Middot (Prinzipien) nicht frei verwendet werden, denn sie beziehen sich nur auf bereits überlieferte Interpretationen. Gäbe es keine derartigen Überlieferungen, würden die Middot nicht als verbindlich gelten.
Nach Ansicht der Tosafot jedoch sind die meisten Middot logische Werkzeuge, die unsere Weisen frei zur Auslegung des Textes anwenden können.
Enthüllen die Auslegungshilfen bisher unbekannte Halachot? Oder bekräftigen sie die bestehende mündliche Tradition?
Die Auslegungshilfen können beides bewirken. Es ist oft unklar, ob eine bestimmte Halacha das Ergebnis der Auslegung eines Verses ist oder eine Auslegung nachträglich mit dem biblischen Text verbunden worden ist.
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