Warum sind Frauen von den positiven zeitgebundenen Mitzwot ausgenommen? Ist das eine Frage der Identität?
Kurzfassung
Was ist eine zeitgebundene Mitzwa?
Eine Mitzwa ist zeitgebunden, wenn sie nur zu einem bestimmten Zeitpunkt gilt und zu einem anderen nicht.
Von welchen positiven zeitgebundenen Mitzwot sind Frauen ausgenommen?
Auf Tora-Ebene sind Frauen von diesen positiven zeitgebundenen Mitzwot ausgenommen: Schma rezitieren, Tzitzit anziehen, Tefillin legen, Schofar hören, Lulaw schütteln, in einer Sukka wohnen und das Omer zählen. Frauen sind in der Regel auch von den rabbinischen positiven und zeitgebundenen Mitzwot befreit.
Ist die Befreiung der Frauen von den positiven zeitgebundenen Mitzwot eine absolute Regel?
Laut Rambam (Maimonides, 12. Jhd.) ist die Befreiung der Frauen von den positiven zeitgebundenen Mitzwot eher eine Faustregel als eine Quelle für die Halacha. Es gibt aber viele Ausnahmen. Andere Traditionen bewirken oft die Verpflichtung einer Frau in einer bestimmten Mitzwa, auch wenn diese zeitgebunden ist.
Warum sollten Frauen von positiven zeitgebundenen Mitzwot ausgenommen sein?
Der Talmud gibt eine technische Antwort: Frauen sind vom Tefillinlegen befreit – und diese Ausnahme ist ein Paradigma für andere positive zeitgebundene Mitzwot. Auf Basis dessen kann die Befreiung von positiven zeitgebundenen Mitzwot einfach als Dekret göttlichen Willens angesehen werden.
Welche anderen Begründungen sind dazu vorgeschlagen worden?
Raw Samson Raphael Hirsch (19. Jhd.) schlägt vor, dass Frauen eine besondere Begeisterung für den Dienst an Gott haben, die die Verpflichtung zu positiven zeitgebundenen Mitzwot unnötig macht.
Laut Abudarham (14. Jhd.) kann das strikte Festhalten einer Frau an positiven zeitgebundenen Geboten eine Spannung zwischen ihren Verpflichtungen gegenüber ihrem Mann und gegenüber Gott erzeugen.
Der Lubawitscher Rebbe (20. Jhd.) schlägt vor, dass eine Frau Mitzwot, von denen sie befreit ist, durch ihren Mann erfüllt.
Raw Mosche Feinstein (20. Jhd.) schreibt, dass die Befreiung die Fähigkeit der Frau schützt, Kinder zu erziehen. Dennoch erlaubt die Halacha jeder Frau, für sich selbst zu entscheiden, inwieweit ihr Leben auf häusliche Aktivitäten ausgerichtet ist und wie sie die Flexibilität nutzt, die ihr die Befreiung bietet.
Warum sind unverheiratete Frauen nach diesen letzten Erklärungen nicht zur Erfüllung von positiven zeitgebundenen Mitzwot verpflichtet?
Die Halacha nimmt oft ein Gesetz, das aus der Sorge um einen bestimmten Fall entstanden ist (z.B. verheiratete Frauen), und wendet es auf ein breiteres Spektrum von Situationen an (z.B. alle Frauen).
Ist dies nur Apologetik?
Während keine dieser möglichen Erklärungen endgültig ist, ist unsere Grundannahme, dass sie die tief verwurzelten Überzeugungen ihrer Autoren widerspiegeln. Unterschiedliche Erklärungen kommen bei unterschiedlichen Menschen gut an. Unabhängig davon, welche von diesen Erklärungen uns ansprechen, bleiben die jeweiligen Ausnahmen bestehen.
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