Müssen Frauen die Segenssprüche am Morgen (Birkot Haschachar) rezitieren? Was hat es mit der Verpflichtung auf sich, 100 Brachot am Tag zu sagen?
Kurzfassung
Wozu gibt es Birkot Haschachar (Segenssprüche am Morgen)?
Es gibt zwei zentrale Weisen, die Birkot Haschachar zu betrachten: als Brachot über die persönliche Freude an der Welt oder als Brachot zum Lob über die grundlegende Funktionsweise der Welt und der Güte Gottes, dessen Quelle sie ist.
Wann werden sie rezitiert?
Es ist üblich, die Birkot Haschachar als eine Einheit zu Beginn des Gebets zu rezitieren, idealerweise bis zum Ende der vierten halachischen Stunden des Tages. Aber sie können, wenn nötig, den ganzen Tag über rezitiert werden – oder sogar in der Nacht.
Warum rezitieren Frauen und Männer die Birkot Haschachar?
Sie sind Segenssprüche des Lobes über die Welt und über unsere Fähigkeit, an ihr teilzuhaben. Da der Zeitpunkt des Rezitieren flexibel ist, zumindest im Nachhinein, werden die Birkot Haschachar nicht als zeitgebunden betrachtet, und der Schulchan Aruch (16. Jhd.) deutet keine Ausnahme für Frauen an.
Sollten Frauen die weiblichen Versionen der Brachot rezitieren?
Einige der Segenssprüche, einschließlich sche‘lo asani Goj (der mich nicht zu einem Nicht-Juden gemacht hat) und sche‘lo asani Awed (der mich nicht zu einem Leibeigenen gemacht hat), sind Identitätssegenssprüche. Sie sind in der ersten Person aus Perspektive eines Mannes geschrieben. Die weiblichen Formen dazu wären Goja und Schifcha. Die Verwendung der weiblichen Sprache in diesen Brachot hängt im Allgemeinen von den Gewohnheiten der Frau ab.
Was ist die Verpflichtung von 100 Brachot?
Rabbi Me’ir lehrt, dass es eine Verpflichtung gibt, hundert Brachot pro Tag zu rezitieren, basierend auf Dewarim 10:12: „Was [ma] verlangt der Herr, dein Gott, von dir?“ Das Wort „was“, „ma“ im Hebräischen, kann als „me’a“, hundert, gelesen werden: „Hundert verlangt Gott von dir.“ Andere Rabbiner liefern zusätzliche Begründungen für diese Halacha.
Sollte diese Verpflichtung für Frauen gelten?
Die Gründe für das Rezitieren von 100 Brachot sind nicht exklusiv für Männer, und die Halacha der me’a Brachot ist nicht zeitgebunden, also würden wir erwarten, dass sie auch für Frauen gilt.
Gilt nun aber diese Verpflichtung für Frauen?
Keine der klassischen Diskussionen zu diesem Thema bezieht sich auf Frauen, selbst wenn sie die Möglichkeit des Unterschreitens der 100 diskutieren. Raw Schlomo Zalman Auerbach folgert aus diesem Schweigen, dass die Verpflichtung nicht für Frauen gilt. In der Praxis verlassen sich viele Frauen auf die Meinung, dass 100 Brachot für Frauen nicht verpflichtend sind.