Welche Perspektiven zur körperlichen Intimität bietet unsere Tradition? Was ist der halachische Rahmen für Intimität in der Ehe?
Kurzfassung
Welche Intentionen sollten das Lernen über sexuelle Intimität leiten?
Sensibilität und Tzniut (Bescheidenheit/Anstand) sollen das Lernen über sexuelle Intimität leiten, um ein klares Verständnis der relevanten Konzepte und Halachot hervorzubringen. Viele der Details werden aber am besten im Einzelunterricht behandelt.
Zudem sollten wir uns der vielfältigen Ansichten in unserer Tradition bewusst sein. Einige traditionelle rabbinische Meinungen ermutigen körperliches Lustempfinden, andere legen Wert auf Askese, und viele rufen zur Mäßigung durch bewusste Entscheidungen auf. Der Sexualtrieb wird dabei als wesentliches Element des Lebens angesehen, aber nicht als ein allmächtiges.
Welche Mitzwot gelten für die eheliche Beziehung im weiteren Sinne?
Die eheliche Beziehung ist ein wichtiger Rahmen, in dem zwischenmenschliche Gebote erfüllt werden, und ist von Liebe und gegenseitigem Respekt geprägt. Innerhalb dieser Parameter lässt die Halacha jedem Paar Raum für die Entwicklung seiner eigenen Beziehungsdynamik.
Wie sind die emotionalen und körperlichen Aspekte der Ehe miteinander verwoben?
Respekt und zwischenmenschliche Sensibilität sind für diese beiden Aspekte der Ehe von zentraler Bedeutung. Sie gehen auf Adam und Chawa zurück. Aus dem Talmud können wir ableiten, dass die Basis für eheliche Intimität aus Vertrauen, Zustimmung, Liebe, Verpflichtung zur Halacha, gegenseitige Anerkennung, häuslichen Frieden, Achtsamkeit, gegenseitige Verpflichtung, Konzentration auf den anderen und Bescheidenheit besteht. Die Heiligkeit der sexuellen Beziehungen ist in diesem Verhaltenskodex verwurzelt, welcher die Grenzen der Ehe definiert.
Ist Geschlechtsverkehr eine halachische Notwendigkeit für die Ehe?
Im Großen und Ganzen, ja. Die Halacha betrachtet ein verheiratetes Paar als aneinander gebunden, auch in sexueller Hinsicht. Die ehelichen Rechte des Paares können nur im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben werden.
Zusätzlich zur Mitzwa der Fortpflanzung ist der Ehemann zur Mitzwa der Ona auf Tora-Ebene verpflichtet.
Was sind die Parameter der Mitzwat Ona?
Der Ehemann muss in regelmäßigen Abständen sexuelle Beziehungen zu seiner Frau haben, insbesondere als Antwort auf ihre Annäherungsversuche und zu bestimmten, günstigen Zeiten (z. B. am Schabbat, vor der Abreise des Ehepartners oder in der Mikwe-Nacht). Im Idealfall schafft die Mitzwa einen freudvollen Rahmen für eine sexuelle Beziehung, die auf die Bedürfnisse beider Ehepartner eingeht. Auch andere Formen der körperlichen Intimität können als Element dieser Mitzwa betrachtet werden.
Die Verpflichtung variiert je nach Beruf und Gesundheitszustand des Mannes. Sie gilt aber nicht, wenn sexuelle Beziehungen für eine Frau schwierig sind oder wenn sie auf ihr Recht auf Ona verzichtet.
Welche Grenzen gibt es für sexuelle Beziehungen in der Ehe?
Der Talmud warnt davor, sich wie “Hähne” auf Beziehungen einzulassen. Dies wird oft als Aufruf zur Mäßigung verstanden.
Sexuelle Beziehungen sind während der Nidda, der Periode der menstruellen Unreinheit der Frau, bis nach dem Eintauchen in eine Mikwe verboten. Die Auswirkungen von Nidda auf Intimität und Autonomie sind von Paar zu Paar unterschiedlich.
Als nächstes werden wir die halachischen Grenzen für Berührungen zwischen Männern und Frauen innerhalb und außerhalb der Ehe erörtern.