Was ist mit dem Segen und dem Gebot „seid fruchtbar und mehret euch“ gemeint?Welche verschiedenen Ebenen dieser Mitzwa gibt es, und wie wirken sie sich auf Frauen aus?
Kurzfassung
Inwiefern ist das Gebot „Seid fruchtbar und mehret euch (peru u-rwu),“ ein Segen?
Auf persönlicher Ebene spiegelt die Zeugung eines Kindes die Einheit der ehelichen Beziehung wider, die Fähigkeit, mit Gott in einem Akt der Schöpfung zusammenzuarbeiten, und den Aufbau einer Beziehung, die durch Fürsorge, Liebe und Unterstützung geprägt ist.
Für die Gemeinschaft ist es ein Segen, die Welt zu besiedeln, den Bund und das jüdische Volk aufrechtzuerhalten und den Glauben an die Erlösung zu bewahren.
Was ist die Mitzwa von peru u-rwu?
- Einige Autoritäten legen fest, dass die Mitzwa darin besteht, mindestens einen Jungen und ein Mädchen zu zeugen, die selbst Kinder auf die Welt bringen können.
- Andere definieren die Mitzwa als sexuelle Beziehung, die darauf abzielt, einen Jungen und ein Mädchen zu zeugen.
- Wieder andere unterscheiden zwischen der Mitzwa, sexuelle Beziehungen zu haben, und der Erfüllung der Mitzwa, einen Jungen und ein Mädchen zu bekommen.
Wie kann es ein Gebot geben, dessen Erfüllung nicht vollständig in den Händen der
Menschen liegt?
Die traditionellen Quellen erkennen die Schwierigkeit an, diese Mitzwa zu erfüllen. Jesaja schlägt sogar vor, dass Kinderlose ein größeres Vermächtnis im Dienste Gottes hinterlassen können. In jüngerer Zeit haben viele halachische Autoritäten Kinder, die durch künstliche Befruchtung mit dem Sperma des Vaters geboren wurden, als Erfüllung dieses Gebots anerkannt.
Sind Frauen in peru u-rwu verpflichtet?
Frauen gelten als von der Mitzwa befreit.
Warum sollten Frauen davon ausgenommen sein, wenn es doch Frauen sind, die schwanger werden und Kinder gebären?
Der Talmud schlägt folgendes vor: In Bereschit 1:28 wird peru u-rwu zusammen mit dem Gebot der Eroberung bzw. Bevölkerung der Erde erwähnt, letzteres aber im Singular. Daher sind Frauen von der Mitzwa ausgenommen (Eroberung wird nämlich als männlich konnotiert angesehen). Alternativ leiten wir die Mitzwa zur Fortpflanzung von Gottes Aufforderung an Jaakow Awinu ab, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren. Auch hier wird der männliche Singular verwendet wird.
In Meschech Chochma schlägt R. Meir Simcha aus Dvinsk (1843–1926) andere Begründungen vor: Frauen sind von dieser Mitzwa ausgenommen, weil das Kinderkriegen zu gefährlich ist, um es Frauen aufzuzwingen, dass Frauen kein Gebot brauchen, um ihren natürlichen Neigungen zu folgen, oder dass eine Frau, die nicht in der Lage ist, sich mit ihrem Mann fortzupflanzen, zur Scheidung gezwungen wäre.
Können Frauen die Mitzwa aber erfüllen?
Möglicherweise erfüllen Frauen, die ein Kind (oder mehrere) gebären, dieses Gebot entweder rabbinisch oder als freiwillige Erfüllung der Mitzwa auf Tora-Ebene oder indem sie eine Rolle bei der Erfüllung der Mitzwa des Ehemanns spielen.
Alternativ kann argumentiert werden, dass eine Frau verpflichtet ist, die Erfüllung der Mitzwa ihres Mannes zu erleichtern, da Polygynie verboten ist.
Was ist Schewet und wer ist dazu verpflichtet?
Jesaja schreibt, dass „Gott die Erde zum Besiedeln (schewet) geschaffen“ hat (45:18). Diese Formulierung kann als halachische Begründung für die Mitzwa peru u-rwu betrachtet werden.
Schewet kann also als ein göttliches Ziel verstanden werden, das durch das Erfüllen der Mitzwa von peru u-rwu erreicht wird. Oder es kann als eigenständige Mitzwa angesehen werden, an der Frauen wie Männer teilnehmen. Ob Frauen dem Gebot von Schewet unterliegen, ist umstritten.
Und was ist La-erew, und wer ist dazu verpflichtet?
In Kohelet (11:6) heißt es, dass man am Abend (La-erew), säen soll, auch wenn man bereits am Morgen gesät hat. Dies wird als Metapher für das Kinderkriegen sowohl früher als auch später im Leben verstanden, das über das Mindestgebot von peru u-rwu hinausgeht.
- Einige halachische Autoritäten betrachten dies als ein Gebot, so viele Kinder wie möglich zu bekommen. Nach dieser Auffassung könnte eine verheiratete Frau auch dazu verpflichtet sein, ihren Mann das Erfüllen dieser Mizwa zu erleichtern.
- Andere, vor allem Ramban, meinen, dass diese Metapher kein Imperativ für das Kinderkriegen sei. Sofern das biblische Gebot der Fortpflanzung erfüllt sei, sei alles Weitere von persönlichen Faktoren und Entscheidungen abhängig. Nach dieser Auffassung kann das Gebot La-erew für Frauen daher flexibler betrachtet werden.
Einige moderne Autoritäten versuchen, La-erew genauer zu definieren, etwa als Gebot,
insgesamt zwei Jungen und zwei Mädchen zu haben. Andere meinen, dass dieses Gebot
keiner näheren Definition bedarf.